3.5 Aufbau der Fragen
3.5.1 Funktionen von Fragen
Fragen können nach Kleber (1992, S.217) entsprechend ihrer Funktion klassifiziert werden:
- Kontakt- und Einleitungsfragen zum Einstieg in die Befragung,
- Übergangs- und Vorbereitungsfragen für Themenwechsel,
- Ablenkungs- und Pufferfragen zur Minderung von Ausstrahlungseffekten,
- Filterfragen zum Übergehen von eventuell irrelevanten Fragen,
- Rangier- und Konzentrationsfragen zum Auflockern langer Darstellungen,
- Motivationsfragen zur Stärkung des Selbstvertrauens und Verminderung von Hemmungen,
- Kontrollfragen als Wahrheitskontrolle der Antworten bzw. Sichtbarmachen von Widersprüchen.
Diese klassifizierten Fragen dienen der Gliederung der inhaltlich relevanten Fragen, welche die eigentliche Erhebung ausmachen.
3.5.2 Bezug von Frageart und erwarteten Informationen
Hierbei steht im Mittelpunkt, welche Informationen durch die Fragen erhoben werden sollen. Die Unterscheidung ist wichtig für die Wahl der Antwortskala (siehe Kapitel3.6.2). Dabei kann nach Schnell et al. (1999, S.303 ff) zwischen vier Fragearten unterschieden werden:
- Einstellung oder Meinungen,
- Überzeugungen,
- Verhalten,
- Eigenschaften.
Fragen nach Einstellungen oder Meinungen
Dieser Fragentyp bezieht sich auf „Wünschbarkeit oder der negativen bzw. positiven Beurteilung, den Befragte mit bestimmten Statements verbinden“ (Schnell et al. 1999, S. 303). Dies kann sowohl in der Fragestellung selber wie auch in den Antwortvorgaben ausgedrückt werden.
Beispiele für Einstellungsfragen: Sollte die Universität mehr Kurse zu kreativem Denken anbieten? o erwünscht o unerwünscht Sollte die Monarchie wieder eingeführt werden? o ja o nein Die Werbeblöcke im Fernsehen sind zu lange. o richtig o falsch
Fragen nach Überzeugungen
Die Einschätzung, die in dieser Fragestellung gefordert wird, beruht allein auf der Überzeugung des Befragten. Es sind also Fragestellungen bzw. Problembereiche, bei denen es nicht auf richtig oder falsch ankommt, sondern wie der Befragte die Realität wahrnimmt.
Beispiele für Überzeugungsfragen: Werbeblöcke im privaten Fernsehen nehmen jetzt mindestens 1/3 der Sendezeit ein. o richtig o falsch Wieviel bebaute Fläche nehmen die universitären Einrichtungen in Tübingen ein? o 1/10 o 1/5 o 1/3 o ...
Fragen nach Verhalten
Bei Verhaltensfragen wird immer direkt auf das Verhalten des Befragen bezug genommen und nicht auf irgendein allgemeines Verhalten von Gruppen. Dadurch unterscheiden sie sich von Überzeugungsfragen. Beispiele für Verhaltensfragen:
Würden Sie mehr Werbung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen akzeptieren, wenn die GEZ-Gebühr dafür wegfällt? o ja o nein Haben Sie schon einmal an einem angebotenen Kurs zu kreativer Selbstverwirklichung teilgenommen? o noch nie o einmal o einige male o schon oft o regelmäßig
Bei Verhaltensfragen sollte stets bedacht werden, daß es sich um beschriebenes Verhalten handelt und dieses nicht immer mit der Realität übereinstimmen muß. Einerseits entspricht die Selbstwahrnehmung der Teilnehmer teilweise nicht dem beobachtbaren wirklichen Verhalten (Eckert 1999,S. 379), andererseits kann auch Wunschdenken des Befragten zugrunde liegen. Dies gilt es besonders bei auf die Zukunft gerichteten Verhaltensfragen zu berücksichtigen.
Fragen nach Eigenschaften
Dabei werden die Eigenschaften von der Person erfragt, im Normalfall persönliche und demographische Daten. Diese werden in den meisten Frage- bogen abgefragt, teilweise, um Zusammenhänge zwischen demographischen Eigenschaften von Personen bzw. Gruppen zu deren Einstellungen, Über- zeugungen und Verhaltensmuster zu ermitteln.
Beispiele für Eigenschaftsfragen: Wieviel Geld steht Ihnen im Monat zur Verfügung? o 0-499 o 500-999 o 1000-1900 o 2000 und mehr Wie alt sind Sie? o unter 18 o 18-29 o 30-45 o 46-60 o über 60
Prozentuale Verteilung der genannten Fragearten
Laut Schnell et al. (1999, S.306) liegt schätzungsweise folgende Verteilung bei einer „normalen“ standardisierten Befragung vor:
33 % Einstellungsfragen,
20 % Verhaltensfragen,
47 % Befragteneigenschaften
(Demographie).
Abb. 12: Prozentuale Verteilung der Fragearten
„Generell läßt sich vermuten: Je unprofessioneller die Untersuchung, desto höher der Anteil der Einstellungsfragen.“ (Schnell et al. 1999, S.306) Eine Begründung der Aussage wird von Schnell et al. allerdings nicht genannt.
3.5.3 Offene, halboffene und geschlossene Fragen
Es kann grob zwischen zwei Strukturtypen von Fragen unterschieden werden – offenen und geschlossenen Fragen. Zu nennen ist auch die Mischform, genannt Hybridfrage. Nach der Betrachtung der zwei Strukturtypen ist besonders deren Nutzung in der Praxis bemerkenswert.
Geschlossene Fragen
Bei geschlossenen Fragen sind die Antwortkategorien vorgegeben. Der Befragte bewegt sich also in einem definierten Raster.
Form | Beispiel |
---|---|
Ja - Nein-Form | Eisen hat ein geringeres spezifisches Gewicht als Kupfer. o ja o nein |
Richtige-Antwort-Form | Unterstreichen Sie Namen von Laubbäumen: Fichte, Eiche, Lärche, Buche, Pappel. |
Beste-Antwort-Form | München liegt in Europa, Deutschland, Bayern, Süddeutschland. |
Zuordnungs-Form |
Welche Werkzeuge werden vorwiegend in
welchen Berufen benötigt?
Pinsel (a) (b) (c) (d) (e) Messer (a) (b) (c) (d) (e) Hobel (a) (b) (c) (d) (e) (a) Zahnarzt; (b) Maurer; (c) Metzger; (d) Tischler; (e) Maler |
Rating-Skalen der subjektiven Einschätzung | Wie empfanden Sie das Kurstempo?
zu schnell |------|------|------|------| zu langsam |
Tabelle 9: Übersicht verschiedener Formen geschlossener Fragen
Nach Schnell et al. (1999, S.173 ff.) gibt es verschiedene Formen zum Aufbau der Skalierung. Genannt werden Skalen nach Thurstone, Likert, Guttman, Rasch und Magnitude. Da die 5- bzw. 7-stufige Likert-Skala die in den Sozialwissenschaften am häufigsten genutzte Skalierungsmethode ist, wird folgend nur auf diese eingegangen. Wenn von ihr gesprochen wird, ist allerdings mehr als nur eine bestimmte Anzahl von Einteilungen gemeint. Es gehört auch eine bestimmte Methode der Item-Findung dazu. Mit dem Begriff Item ist die Fragestellung zu der Skala selbst gemeint. Nachfolgend soll die Likert-Skala skizziert werden, da sie für die Fragenfindung relevant ist.
Vorteile | Nachteile |
---|---|
+ leichte Auswertung |
|
Tabelle 10: Vor- und Nachteile geschlossener Fragen
Exkurs: Prozeß der Item-Findung bei der Likert-Skala
Der Prozeß beginnt mit der Sammlung einer großen Anzahl von Items. In der Literatur werden 100 als Anzahl genannt. Diese Items gleichen sich inhaltlich, nur die verbalen Beschreibungen variieren.
Als Beispiel nach Schnell et al. (1999, S.184):
„1. Irgendwie, meine ich, ist meine Arbeit doch wichtig 2. Bei meiner Arbeit fühle ich mich oft irgendwie leer 3. Ich habe das Gefühl, bei meiner Arbeit etwas Sinnvolles zu tun ... 100. Ich lerne täglich bei meiner Arbeit dazu“
Dabei sind sowohl positiv wie negativ formulierte Fragestellungen vertreten, deren ‚Vorzeichen‘ später bei der statistischen Auswertung berücksichtigt werden müssen. Diese Fragen werden Versuchspersonen vorgelegt. Das Ergebnis der Item-Findung wird umso besser, je größer die Anzahl der Versuchspersonen ist. In der genannten Untersuchung lag eine Stichprobe von 2505 Personen vor. Die Versuchspersonen bewerten nun aus ihrer Sicht die Items auf einer 5- (bzw. 7-) stufigen Skala. Die eingesetzte Skala kann wie folgt gegliedert sein: zutreffend, eher zutreffend, weder/noch, eher unzutreffend, unzutreffend. Anhand von statistischen Verfahren, die hier nicht näher beschrieben werden sollen, werden die besten Items herausgefiltert. Die Reliabilität wird mit dem Cronbach Alpha bestimmt.
Der Vorgang der Ermittlung der geeignetsten Items ist aufwendig und zeitintensiv. Aus diesem Grund wird der Prozeß von vielen Fragebogenerstellern gemieden, und daher entspringen die Items häufig „der ungebremsten Phantasie der Skalenkonstrukteure“ (Schnell et al. 1999, S.173).
Es haben sich einige Faustregeln für die Formulierung der Items entwickelt. Im weiteren Verlauf des Kapitels unter Punkt 3.5.4 wird näher darauf eingegangen.
In persönlichen Gesprächen mit mehreren Psychologen ergab sich die einhellige Meinung, daß normalerweise bei der Verwendung von Likert-Skalen 5 Stufen der Standard sind, da der Erkenntnisgewinn bei 7-stufigen Skalen vernach- lässigbar ist. Die meisten Menschen können ihre Antworten nicht so fein differenzieren.
Halboffene Fragen
Im Gegensatz zu geschlossenen Fragen ist bei halboffenen Fragen keine Vorgabe der Antwortkategorien vorhanden, sondern der Befragte muß seine Antwort ausschreiben. Zur Abgrenzung zu offenen Fragen könnte geltend gemacht werden, daß die Antwort in der Regel aus einem oder wenigen Wörtern besteht.
Form | Beispiel |
---|---|
Frageform | An welchem Fluß liegt Tübingen? |
Ergänzungsform | Wasser besteht aus Wasserstoff und ... |
Fehlerkorrekturform | Yesterday I write a letter. |
Tabelle 11: Verschiedene Formen von halboffenen Fragen
Vorteile | Nachteile |
---|---|
+ leichte Formulierung | - schwierigere Auswertung |
+ geringer Vorbereitungsaufwand |
Tabelle 12: Vor- und Nachteile bei halboffenen Fragen
Offene Fragen
Bei offenen Fragen kann der Befragte frei seine Antwort, Einstellung oder Überzeugung formulieren und wird nicht durch vorgegebene Antwortmöglichkeiten in ein Raster gezwungen. Diese Frageform traut dem Befragten eine differenzierte Selbstwahrnehmung, Ausdrucksfähigkeit, Motivation und Ehrlichkeit zu (Gerl 1983, S.65).
Form | Beispiel |
---|---|
Frageform | Was könnte Ihrer Meinung nach getan werden, um die Qualität der Kurse des Rechenzentrums zu verbessern? |
Tabelle 13: Form der offenen Fragen
Besondere Vorteile bringt die offene Form bei der Entwicklung des Fragebogens.Nach dem Pretest können die gewonnenen Antworten ausgewertet und offene in geschlossene Fragen transformiert werden. Dabei werden die Antwortvarianten und Einfälle von verschiedensten Leuten berücksichtigt, die den Pretest durchlaufen haben, und die geschlossenen Fragen entspringen nicht allein der eingeschränkten Phantasie eines Einzelnen.
Vorteile | Nachteile |
---|---|
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Tabelle 14: Vor- und Nachteile bei offenen Fragen
Betrachtungen zur Verwendung von offenen und geschlossenen Fragen
Die Nachteile bei offenen Fragen erschienen im Laufe der Jahre für die Nutzung in der Praxis zunehmend problematischer. So zeigt Caplovitz 1983 (siehe Schnell et al. 1999, S.310) bei der Auswertung einer großen Anzahl von Untersuchungen, daß sich der Anteil der offenen Fragen seit den 40er Jahren drastisch von 16% auf 3% verringert hat.
Meine Vermutung ist, daß durch den hohen Aufwand bei der Auswertung und der Unmöglichkeit ihrer Automation offene Fragen noch weiter abnehmen werden. Hierzu dürften vor allem die Kosten ihren Teil beitragen, die mit hohem zeitlichen Aufwand verbunden sind.
Weiterhin interessant werden die offenen Fragen für die Entwicklung und Pretests von Fragebogen bleiben, da erst durch sie der Horizont der Fragebogenentwickler auf die Zielgruppe erweitert wird.
3.5.4 Formulierung der Fragen
Für die Formulierung der Fragen haben sich einige Regeln herauskristallisiert, die Edwards(in Mummendey 1995, S.63) wie folgt zusammenfaßt:
Vermieden werden sollten Statements,
- die sich auf die Vergangenheit statt auf die Gegenwart beziehen,
- die Tatsachen beschreiben oder als Tatsachenbeschreibung aufgefaßt werden können,
- die vom Befragten nicht eindeutig interpretiert werden können,
- die sich nicht auf die Einstellung beziehen, um die es geht,
- denen alle oder keine Befragten zustimmen.
Statements sollten
- den gesamten affektiven Bereich der Einstellung abdecken,
- einfach, klar und direkt formuliert sein,
- kurz sein und nur selten mehr als 20 Worte umfassen,
- immer nur einen Gegenstand enthalten,
- keine Worte wie „alle“, „immer“, „niemand“ und „niemals“ enthalten,
- Worte wie „nur“, „gerade“ und „kaum“ höchstens in Ausnahmefällen enthalten,
- aus einfachen Sätzen und nicht aus Satzgefügen oder Satzverbindungen bestehen,
- keine Worte enthalten, die dem Gefragten unverständlich sein könnten,
- keine doppelten Verneinungen enthalten.
Kleber hat ergänzend noch die Forderung aufgestellt, daß die Fragestellung und Antwortformulierung an die betroffene Zielgruppe angepaßt sein muß, um eine Überforderung der befragten Personen zu vermeiden (vgl. Kleber 1992, S.217).
Sprache
Wer die Sprache im Fragebogen variiert, wird feststellen, „daß bereits sprachliche Nuancen, kleinste Veränderungen (...) große Bedeutung erlangen können“ (Mummendey 1995, S. 143). So z.B. das Wort ‚oft‘. Ab wann ist etwas oft? Die unterschiedlichsten Einschätzungen der Menschen eines solchen Wortes machen die Dimensionen semantischer Grauzonen in der Sprache bewußt.
Positive Antworttendenzen und das Problem der Reversibilität
Immer wieder muß festgestellt werden, daß Teile der Befragten unabhängig vom Inhalt zum Bejahen tendieren. Um dieses Problem einer solchen Ergebnisverzerrung in den Griff zu bekommen, beschäftigte sich Mummendey mit der Reversibilität der Items.Die Umkehrung einer Aussage ist mit verschiedenen Problemen verbunden. So bekommt das bei Mummendey (1995, S. 144) genannte Beispiel „Ich neige dazu, die Dinge leicht zu nehmen“ eine andere semantische Qualität bei der Formulierung „Ich neige dazu, die Dinge schwer zu nehmen.“ Natürlich könnte eine Umkehrung auch durch das Einfügen einer Negation an verschiedenen Stellen bewirkt werden, z.B. „Ich neige nicht dazu, die Dinge leicht zu nehmen.“ Eine Umkehrung von Items stellt sich aber als schwierig heraus.Die Messung der Korrelation mit der Ausgangsskala zeigt die Problematik. Mummendey (1995, S.145) konstatiert, „daß es fast unmöglich, zumindest aber sehr aufwendig ist, selbst scheinbar einfache sprachliche Formulierungen in einer gewünschten Weise präzise zu verändern“ (Mummendey 1995, S.145).
Ein Vorschlag lautet, in einem Item sowohl positive wie auch negative Formulierungen aufzunehmen. Das genannte Beispiel würde dann wie folgt aussehen: „Neigen Sie dazu, die Dinge leicht zu nehmen oder die Dinge schwer zu nehmen?“
Keine doppelten Negierungen
Doppelte Negierungen gilt es zu vermeiden. Die daraus oft resultierende erschwerte Verständlichkeit führt zu mißverständlichen Items und dadurch zu unkontrollierten Ergebnissen. Die Fragestellung „Neigen Sie nicht dazu, die Dinge nicht leicht zu nehmen?“ erfordert präzisierte Beschäftigung durch den Befragten mit der Frage, die für ihn eigentlich eine von vielen darstellt. Die analytische Arbeit des Befragten besteht erst einmal darin, sich die Frage verständlich zu machen. Was wird eigentlich gefragt? Neige ich nicht dazu, Dinge nicht leicht, also schwer zu nehmen? Wenn ich also dazu neige, Dinge leicht zu nehmen, kann ich die ursprüngliche Frage am besten über die Vereinfachung der Frage beantworten. Diese gedankliche Arbeit lenkt den Befragten von seiner eigentlichen Aufgabe ab – der schnellen und zutreffenden Beantwortung der Fragen. Zum Teil wird die doppelte Negierung nicht wirklich verstanden, sondern konventionalisiert als einfache Negierung.
Neutrale Begriffebenutzen
Die unterschwellige Wertung vieler Begriffe verbietet ihren Einsatz im Fragebogen. So ist z.B. der Begriff ‚Kapitalist‘ weitaus negativer belegt als ‚Kapitalgeber‘, der je nach Fragestellung genauso verwendet werden kann. Es ist also dringend eine neutrale Formulierung zu wählen, da ansonsten die gegebenen Antworten in eine bestimmte Richtung verzerrt werden können. Dabei sollten bei der Fragebogenkonstruktion die Sprachgewohnheiten der Zielgruppe berücksichtigt werden. Bei Börsianern wird in der Regel der Begriff Kapitalist anders belegt sein als bei sozialen Randgruppen.
Aufbau der Frage- und Antwortformulierung
Gerl stellt die Forderung auf, daß „als erstes und wichtigstes Prinzip“ zu gelten hat, daß jeder Befragte nur „für sich selbst sprechen“ kann. Daher sollte in den Frageformulierungen unbedingt darauf geachtet werden, daß nach persönlichen Einstellungen anstatt Annahmen über Einstellungen von anderen gefragt wird – also nur nach subjektbezogenen Aussagen.
Zum Beispiel: „Sind Sie am Thema interessiert?“ ist besser als „Sind die Teilnehmer am Thema interessiert?“ (vgl. Gerl 1983, S.31)
Positive Beispiele aus Gerl (1983, S.43):„- In dieser Lerngruppe fühle ich mich frei und entspannt. - Mit meiner Meinung halte ich hier lieber hinter dem Berg. - Die Zusammenarbeit mit den anderen hat mir Spaß gemacht. - Ich würde gerne mit den gleichen Leuten noch einmal einen Kurs machen.“
Weitere Anforderungen an den Aufbau von Frage- und Antwortformulierungen werden im folgenden beschrieben.
Fragenformulierung
Gräf bietet auf seinen Internetseiten (Gräf et al. 2001, Internetquelle) einen sehr dichten Anforderungskatalog an die Frageformulierung. Die folgende Auflistung beruht darauf und wurde von mir mit Schlagworten gegliedert und zusammengefaßt.
- Kurze Fragen
- Die Fragen sollten möglichst kurz formuliert sein
- Keine Antwortvorgaben
- Durch Suggestivfragen kann eine Antwort bereits vorgegeben werden, und das Ergebnis wird nicht die Meinung der Befragten widerspiegeln. Daher müssen Suggestivfragen unbedingt vermieden werden.
- Konkret und eindeutig
- Antworten auf Fragen, die sich auf konkrete Situationen beziehen, sind in der Regel zuverlässiger als allgemein formulierte Fragestellungen. Daher muß man möglichst konkret und eindeutig formulieren.
- Beispiele oder Erklärungen
- Unbekannte Sachverhalte sollten mit einer Erklärung oder einem Beispiel eingeführt werden. Dies ist nötig, wenn Befragten der Sachverhalt unbekannt sein könnte.
- Situationen real und vollständig beschreiben
- Bei Beschreibungen von Situationen sollten Zeit, Ort und Zusammenhang angegeben werden. Begriffe wie jung, alt, reich bedeuten für jeden etwas anderes. Daher sollte konkret gefragt werden, z. B. „Als Sie eingeschult wurden ...“ anstatt „Als Sie jung waren ...“.
- Hypothetische Formulierungen
- Hypothetische Formulierungen sind zu vermeiden, denn das
Ergebnis soll nicht nur hypothetischer Natur sein. Durch eine
hypothetische Formulierung ist der Befragte eher damit
beschäftigt, sich zu überlegen, wie groß die Wahrscheinlichkeit
des Eintreffens eines hypothetischen Ergebnisses ist, anstatt mit
der Beantwortung.
Beispiel: „Sie finden 100 DM ...“ anstatt „Angenommen Sie finden 100 DM ...“ - Eindimensionalität
- Mehrere Dimensionen innerhalb einer Fragestellung sind zu
vermeiden, ansonsten wird die Antwort u.U. genauso mehr-
dimensional, und bei der Auswertung besteht in der Regel keine
Möglichkeit mehr herauszufinden, auf was sich die Antwort
exakt bezieht.
Mehrdimensionale Fragen sollten besser in mehrere Fragen unterteilt werden.
Negativbeispiel: „Nutzen Sie das Internet nur privat oder auch geschäftlich?“ - Komplizierte Überlegungen/Berechnungen
- Je komplizierter die Überlegungen werden, die der Befragte für eine korrekte Antwort anstellen muß, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, daß die Qualität der Antwort abnimmt. Beispiel: „Wieviel Prozent Ihrer Freizeit verbringen Sie bei Gesprächen mit Ihren Freunden?“ Die Frage ist aus mehreren Gründen komplex. Wann fängt Freizeit an? Gehören auch Essen und Schlafen dazu? Was sind Freunde? Zählen auch nähere Bekannte dazu? Wieviel Prozent sind das dann zu guter Letzt? Eine solche Frage setzt dazu noch voraus, daß der Befragte sich ernsthaft die Mühe macht, das geforderte Ergebnis zu ‚berechnen‘.
- Positive wie negative Antwortoption
- Bei der Frage sollte sowohl die positive wie auch die negative
Antwortoption einbezogen werden. Dadurch werden
Antwortvorgaben abgeschwächt.
Beispiel: „Sollte 16-18jährigen der Genuß von Alkohol unter- sagt werden?“ sollte besser wie folgt formuliert werden: „Sollte 16-18jährigen der Genuß von Alkohol untersagt oder erlaubt werden?“ - Zustimmung/Ablehnung
- Fragen, die auf Zustimmung bzw. Ablehnung einer Aussage abzielen, sind laut der Methodenforschung besonders prädestiniert für verzerrende Antworttendenzen, bedingt durch Fehlerquellen wie Zustimmungstendenzen. Die Empfehlung lautet, den Anteil derartiger Fragen niedrig zu halten.
- Heikle und sensible Themen
- Zu den heiklen und sensiblen Themen gehören in unserem Kulturkreis z.B. Fragen über Einkommen, Kriminalität und Sexualität. Bei Fragen zu diesen Themen sollten abgemilderte Ausdrücke benutzt werden. Beispielsweise kann die Formulierung ‚nicht die Wahrheit sagen‘ gewählt werden, statt des harten Wortes ‚lügen‘. Wichtig ist, daß der Befragte nicht das Gefühl bekommt, für seine Antworten mit einem Prestigeverlust rechnen zu müssen (vgl. Kap.3.4.3).